Posts Tagged ‘ BGH ’

Tatsächliche Anschrift ist maßgeblich!

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klage einer Wohnungseigentümerin gegen ihre Gemeinschaft unzulässig ist, weil die Klägerin ihre Wohnanschrift nicht angegeben hat. Die Klägerin hatte in ihrer Klageschrift lediglich die Anschrift eines Postdienstleisters angegeben, der ihre Post an sie weiterleitet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss die Klageschrift die ladungsfähige Anschrift der Klägerin enthalten. Eine ladungsfähige Anschrift ist eine Anschrift, unter der die Klägerin tatsächlich zu erreichen ist und die ernsthafte Möglichkeit der Übergabe eines zuzustellenden Schriftstückes an sie besteht.

Die Anschrift des Postdienstleisters ist keine ladungsfähige Anschrift der Klägerin, da die Klägerin sich dort nicht aufhält und der Postdienstleister nicht bevollmächtigt ist, zuzustellende Schriftstücke für die Klägerin entgegenzunehmen.

Die Klägerin hat auch keine Gründe vorgetragen, warum ihr die Angabe ihrer Wohnanschrift nicht möglich oder zumutbar wäre.

Fazit:

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat zur Folge, dass eine Klage einer Person, die ihre Wohnanschrift nicht angibt, unzulässig ist. Dies gilt auch für Klagen von Wohnungseigentümern gegen ihre Gemeinschaft. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist folgerichtig. Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift ist eine wesentliche Voraussetzung für die Durchführung eines geordneten Rechtsstreits. Wenn eine Partei ihre Anschrift nicht angibt, ist es für die Gegenpartei und das Gericht nicht möglich, sie zu erreichen und ihr zuzustellende Schriftstücke zu übermitteln. Dies kann zu Verzögerungen und erheblichen Nachteilen für die Parteien führen.

BGB Urteil vom 07.Juli 2023, Az: V ZR 210/22

vorgehend LG Frankfurt, 6. Oktober 2022, Az: 2-13 S 102/21
vorgehend AG Frankfurt, 1. Oktober 2021, Az: 92 C 1330/21 



Rückzahlung von „Corona Beiträgen“.

Der BHG hat entschieden, dass die „Corona Gutscheinlösung“ des Gesetzgebers abschließend ist und somit keinen Raum für andere Anpassungen gemäß § 313 Abs. 1 BGB besteht. In der Pressemitteilung hat der BGH für diese Fallkonstellation klar dargelegt und begründet, warum sich der Kunde nicht auf andere Regelungen einlassen muss und seine gezahlten Beiträge zurückfordern kann.

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 4.5.2022

Zahlungspflicht bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios

Urteil vom 4. Mai 2022 – XII ZR 64/21

Der u.a. für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte die Frage zu entscheiden, ob die Betreiberin eines Fitness-Studios zur Rückzahlung von Mitgliedsbeiträgen verpflichtet ist, welche sie in der Zeit, in der sie ihr Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen musste, von einem Kunden per Lastschrift eingezogen hat.

Die Parteien schlossen am 13. Mai 2019 einen Vertrag über die Mitgliedschaft im Fitnessstudio der Beklagten mit einer Laufzeit von 24 Monaten, beginnend ab dem 8. Dezember 2019. Der monatliche Mitgliedsbeitrag, der im Lastschriftverfahren eingezogen wurde, betrug 29,90 € nebst einer halbjährigen Servicepauschale. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste die Beklagte das Fitnessstudio in der Zeit vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020 schließen. Die Monatsbeiträge für diesen Zeitraum zog sie weiterhin vom Konto des Klägers ein.

Eine vom Kläger mit Schreiben vom 7. Mai 2020 erklärte Kündigung seiner Mitgliedschaft zum 8. Dezember 2021 wurde von der Beklagten akzeptiert.

Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 verlangte der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der per Lastschrift eingezogenen Mitgliedsbeiträge für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020.

Nachdem eine Rückzahlung nicht erfolgte, forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm für den Schließungszeitraum einen Wertgutschein über den eingezogenen Betrag auszustellen.

Die Beklagte händigte dem Kläger keinen Wertgutschein aus, sondern bot ihm eine „Gutschrift über Trainingszeit“ für den Zeitraum der Schließung an. Dieses Angebot nahm der Kläger nicht an.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung der Monatsbeiträge für den Schließungszeitraum in Höhe von 86,75 € nebst Zinsen und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Ihre hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision, mit der die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen wollte, hatte keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge hat.

Diesem Rückzahlungsanspruch des Klägers kann die Beklagte nicht entgegenhalten, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird.

Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf. So liegt der Fall hier.

Während des Zeitraums, in dem die Beklagte aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ihr Fitnessstudio schließen musste, war es ihr rechtlich unmöglich, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.

Obwohl die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen musste, liegt kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Wird – wie im vorliegenden Fall – für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung. Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner die Nutzungsmöglichkeit des Studios zeitweise nicht gewähren, etwa weil er – wie hier – das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar.

Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Beklagte dem Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht entgegenhalten kann, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird. Eine solche Vertragsanpassung wird zwar in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten. Diese Auffassung verkennt jedoch das Konkurrenzverhältnis zwischen § 275 Abs. 1 BGB und § 313 BGB. Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit – wie im vorliegenden Fall – der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist.

Ein Anspruch der Beklagten auf die begehrte Vertragsanpassung scheidet auch deshalb aus, weil mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB eine speziellere Vorschrift besteht, die im vorliegenden Fall einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht.

Grundsätzlich ist eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Geschäftsgrundlagenstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat. Bei der durch Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsrecht und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) vom 15. Mai 2020 mit Wirkung vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 948) eingeführten Vorschrift des Art. 240 § 5 EGBGB handelt es sich um eine solche spezialgesetzliche Regelung, die in ihrem Anwendungsbereich dem § 313 BGB vorgeht.

Zur Zeit der Schaffung dieser Vorschrift mussten aufgrund der umfangreichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Veranstaltungsverbote und Kontaktbeschränkungen eine Vielzahl von Veranstaltungen abgesagt und Freizeiteinrichtungen vorübergehend geschlossen werden. Daher konnten vielfach bereits erworbene Eintrittskarten nicht eingelöst werden. Ebenso konnten Inhaber einer zeitlichen Nutzungsberechtigung für eine Freizeiteinrichtung diese für eine gewisse Zeit nicht nutzen. Der Gesetzgeber befürchtete, dass die rechtliche Verpflichtung der Veranstalter oder Betreiber, bereits erhaltene Eintrittspreise oder Nutzungsentgelte zurückerstatten zu müssen, bei diesen zu einem erheblichen Liquiditätsabfluss führen würde, der für viele Unternehmen im Veranstaltungsbereich eine existenzbedrohende Situation zur Folge haben könnte. Zudem sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass Insolvenzen von Veranstaltungsbetrieben auch nachteilige Folgen für die Gesamtwirtschaft und das kulturelle Angebot in Deutschland haben könnten.

Um diese unerwünschten Folgen nach Möglichkeit zu verhindern, wollte der Gesetzgeber mit Art. 240 § 5 EGBGB für Veranstaltungsverträge, die vor dem 8. März 2020 abgeschlossen wurden, eine Regelung schaffen, die die Veranstalter von Freizeitveranstaltungen vorübergehend dazu berechtigt, den Inhabern von Eintrittskarten statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen (Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB), sofern die Veranstaltung aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Durch Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB wurde dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung ebenfalls das Recht eingeräumt, dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht nutzbaren Teils der Berechtigung entspricht.

Durch diese „Gutscheinlösung“ hat der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Interessen sowohl der Unternehmer im Veranstaltungs- und Freizeitbereich als auch der Interessen der Kunden eine abschließende Regelung getroffen, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungs- und Freizeitbereich abzufangen. Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage findet daneben nicht statt.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

§ 275 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

§ 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. […]

§ 326 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht. […]

(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.

Art 240 § 5 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch

(1) Wenn eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte oder kann, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte oder sonstigen Teilnahmeberechtigung anstelle einer Erstattung des Eintrittspreises oder sonstigen Entgelts einen Gutschein zu übergeben. […]

(2) Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war oder ist, ist der Betreiber berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben.

(5) Der Inhaber eines nach den Absätzen 1 oder 2 ausgestellten Gutscheins kann von dem Veranstalter oder Betreiber die Auszahlung des Wertes des Gutscheins verlangen, wenn

1. der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist oder

2. er den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat.

Vorinstanzen:

LG Osnabrück – 2 S 35/21 – Urteil vom 9. Juli 2021

AG Papenburg – 3 C 337/20 – Urteil vom 18. Dezember 2020

Karlsruhe, den 4. Mai 2022

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501



Erbe und soziale Netzwerke

Umfang der Erbschaft von Sozial Media Accounts

Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.

§ 1922 (1) BGB

Der BGH hat klar gestellt , dass die Erben den Zugriffe erhalten müssen, welcher auch der Verstorbene zum Todeszeitpunkt hatte.
Also einen ungehinderten Zugang zum Benutzerkonto und allen Daten. Allerdings ist damit nicht auch eine aktive Nutzung des Benutzerkontos verbunden. Eine Kopie der Daten des Accounts auf einen USB Stick als Pdf Dateien (im Fall eine PDF-Datei mit mehr als 14.000 Seiten) ist nicht ausreichend.

„.. den Erben die Möglichkeit einräumen muss, vom Konto und dessen Inhalt auf dieselbe Weise Kenntnis zu nehmen und sich – mit Ausnahme einer aktiven Nutzung – darin so „bewegen“ zu können wie zuvor die ursprüngliche Kontoberechtigte.“

Quelle: Pressemitteilung Nr. 119/2020 des BGH vom 09.09.2020

Bundesgerichtshof Beschluss vom 27. August 2020 – III ZB 30/20

Vorinstanzen:
LG Berlin – Beschluss vom 13. Februar 2019 – 20 O 172/15
Kammergericht – Beschluss vom 3. Dezember 2019 – 21 W 11/19
Basisurteil des Landgerichts Berlin vom 17. Dezember 2015 




Aufhebung der Prozesskostenhilfe (PKH)

Der BGH hat entschieden, dass  gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben kann, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Rückstand ist.

Bundesgerichtshof Az. V ZB 41/13 Beschluss vom 30. Mai 2017

 



Passive Prozessführungsbefugnis der WEG

Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Urteil vom 11.12.2015 schon im Leitsatz  klar:  „Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist für gemeinschaftsbezogene Pflichten der Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG kraft Gesetzes passiv prozessführungsbefugt.“

Das Gericht stellt in seiner Ausführung insbesondere darauf ab, ob es sich um eine gemeinschaftliche Pflicht handelt.

„Eine gemeinschaftsbezogene Pflicht im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn eine Verpflichtung, die im Außenverhältnis alle Wohnungseigentümer gleichermaßen trifft, nach der Interessenlage ein gemeinsames Vorgehen er-fordert. Eine gekorene Wahrnehmungsbefugnis nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG, bei der lediglich ein Zugriffsermessen besteht, ist hingegen anzunehmen, wenn die Pflichtenerfüllung durch den Verband förderlich ist….“

„Gemeinschaftsbezogene Pflichten ihrer Mitglieder nimmt die Woh-nungseigentümergemeinschaft nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG wahr. Hieraus folgt eine passive Prozessführungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft …“

Hier bedarf es also der Darlegung im Einzelfall, um zu einer passiv Prozessführungsbefugnis der WEG zu gelangen. Insbesondere der begriff des „zugriff Ermessens“ wird die unteren Gerichte zukünftig weiteren beschäftigen.  Das Urteil hat sich nur mit einem Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB auseinandergesetzt.

 

Instanzen:

Bundesgerichtshof Az. V ZR 180/14,  Urteil vom 11.12.2015

AG Saarbrücken Az. – 3 C 443/10,  Entscheidung vom 26.06.2013

LG Saarbrücken Az. 5 S 107/13,  Entscheidung vom 04.07.2014 



Wohnungseingangstür = Gemeinschaftseigentum

Die Teilungserklärung ist für die Einordnung der Wohnungseingangstür als Gemeinschafts- oder Sondereigentum nicht maßgeblich. Die Wohnungseingangstür ist Gemeinschaftseigentum und trennt das Sondereigentum damit ab. Damit kann die WEG auch über deren Erscheinungsbild entscheiden.

(BGH, Urteil v. 25.10.2013, Az.: V ZR 212/12)

 



Pflichtangaben in der Werbung (Teil 1)

Der eingetragene Kaufmann muss auch in der Werbung den  Rechtsformzusatz „e.K.  als Pflichtangaben führen und darf diesen nicht weglassen,  da er Bestandteil des Namens ist, ansonsten liegt ein Verstoß (§ 3 Abs. 2 Satz UWG ) gemäß § 5a UWG  (Richtlinie 2005/29/EG Nr. 15) vor.

BGH,  Urteil I ZR 180/12 vom 18.04.2013,

 

Die Firmenbezeichnung bzw, deren Zusatz richtet sich  u. a.  für

die Aktiengesellschaft nach §§ 4, 279 AktG,

den  Einzelkaufmann nach § 19 HGB,

die Genossenschaft aus § 3 GenG.

die GmbH aus § 4 GmbHG

die Partnerschaftsgesellschaft nach § 2 PartGG,

die Personengesellschaft nach § 19  HGB.

 



Gefahren beim Waldspaziergang! Wer haftet?

Eine Frau ging in einem Wald auf einem breiten Weg spazieren, als sie ein starker Ast , der von einer alten Eiche herabfiel, traf und schwer verletzte. Ein Sachverständiger teilte mit, dass der Baum vorgeschädigt gewesen sei, und dieses für den Waldbesitzer auch erkennbar gewesen wäre. Daraufhin verurteilte das Gericht den Waldbesitzer.

Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf, da gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 Bundeswaldgesetz (BWaldG) das Betreten eines Waldes auch auf Forstwegen auf eigene Gefahr geschieht. Der Waldbesitzer haftet nur für atypische Gefahren, die nicht der Natur des Waldes unterliegen.  (BGH, Urteil vom 02.10.2012,VI ZR 311/11)

Hierdurch trägt der Bundesgerichtshof der Intension des Waldgesetzes vollumfänglich Rechnung. Ein Waldbesitzer kann nicht ständig jeden Ast, jede Wurzel oder jedes Erdloch kontrollieren und absichern.

Dass ein Ast abricht und hinabfällt, ist ein typisches Risiko im Wald und somit allgemeines Lebensrisiko, welches nicht dem Waldbesitzer aufgebürdet werden darf.

. . . 

§ 14 Betreten des Waldes

(1) Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung ist gestattet. Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde ist nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr. Dies gilt insbesondere für waldtypische Gefahren.

Auszug aus dem Bundeswaldgesetz



Umstellung auf funkbasierte Ablesegeräte

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 28.09.2011, VIII ZR 326/10) hat klargestellt, dass der Mieter bei der Umstellung gemäß § 4 Abs. 2 HeizkostenV den Austausch funktionstüchtiger Erfassungsgeräte für Heizwärme und Warmwasser gegen ein zur Funkablesung geeignetes System zu dulden hat.

Die Duldungspflicht der Ersetzung von Erfassungsgeräten für Kaltwasser durch ein funkbasiertes Ablesesystem leitet das Gericht aus § 554 Abs. 2 BGB her.

Die Begründung des Urteils vermag zwar im Einzelnen nicht zu überzeugen, beendet jedoch einen Streit darüber, ob auch bei funktionierenden Erfassungssystemen eine Umstellung auf funkbasierte Funksysteme zulässig ist.



Fristlose Kündigung bei unpünktlicher Mietzahlung

Der Bundesgerichtshof ( BGH, Urteil vom 14.09.2011, VIII ZR 301/10) hat seine Rechtsprechung zur Kündigung einer Wohnung bei wiederholter unpünktlicher Mietzahlung weiter konkretisiert. Er hat festgestellt, dass bereits eine weitere unpünktliche Zahlung nach erfolgter Abmahnung eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.



Straftat in der Insolvenz

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass die Begehung einer Straftat in der Insolvenz nicht grundsätzlich zur Versagung der Restschuldbefreiung führt. Die Glaubhaftmachung des Verstoßes gegen die Erwerbsobliegenheit und der daraus folgenden Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten liegt nicht per se vor, wenn der Schuldner während der Wohlverhaltensphase eine Straftat begeht und deswegen inhaftiert wird, insoweit bedarf es zur Versagung der Restschuldbefreiung gemäß  §295 Abs. 1 Nr. 1, §296 Abs. 1 InsO weiterer Tatsachen.

Der BGH führt  aus: „… Die Begehung einer Straftat, die zu einer Inhaftierung des Schuldners führt, rechtfertigt nur dann die Versagung der Restschuldbefreiung, wenn der Schuldner durch die Inhaftierung eine Arbeit verliert, aus der er pfändbare Einkünfte erzielt hat. Wie in anderen Fällen auch reicht allein der Verlust der Möglichkeit, sich auf dem Arbeitsmarkt um eine Tätigkeit zu bemühen, nicht aus, um die Restschuldbefreiung zu versagen. So ist eine Versagung nach der Rechtsprechung des Senats nicht gerechtfertigt, wenn der Schuldner eine Erwerbstätigkeit aufgibt, die – etwa aufgrund seiner Unterhaltspflichten – keine pfändbaren Beträge erbracht hat oder wenn der Schuldner eine (etwa nach Kinderbetreuung zumutbare Teilzeit-) Beschäftigung ablehnt, die keine pfändbaren Bezüge ergeben hätte  …“

„Im vorliegenden Fall beging der schon vielfach straffällig gewesene Schuldner zwar eine schwere Straftat. Er konnte bei Tatbegehung erkennen, dass ihm eine langjährige Freiheitsstrafe drohte und er dem Arbeitsmarkt deshalb nicht zur Verfügung stehen würde. Auch befand er sich zum Zeitpunkt der Tatbegehung bereits in der Wohlverhaltensphase. Ihm drohte jedoch weder der Verlust eines oberhalb der Pfändungsfreigrenze liegenden Arbeitseinkommens noch büßte er – soweit bekannt – eine konkrete Aussicht auf eine dermaßen vergütete Stelle ein. Eine wirtschaftlich messbare Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten lag deshalb nicht vor.“

Der Auffassung, dass jede längere Freiheitsstrafe von vornherein die Möglichkeit der Restschuldbefreiung ausschließt, erklärt dies klar eine Absage und stellt fest, „Der Wille des Gesetzgebers der Insolvenzordnung ging erkennbar dahin, auch Strafgefangenen die Möglichkeit der Restschuldbefreiung zu eröffnen.“

Trotz klarer Regelungen gab es durch einige Entscheidungen der unteren Gerichte eine Unsicherheit, welche durch dieses Urteil weitgehend beseitigt ist.

Verfahrensweg:
Amtsgericht Stralsund
Landgericht Stralsund
Bundesgerichtshof



Haftung für Provider erweitert!

Einige Provider bieten den Service, dass Domains automatisch bei Ihnen registriert werden können. Der Provider kümmert sich unter Umständen nicht nur um die gesamte technische Verwaltung der Domain, sondern stellt unter Umständen bei ausländischen Domaininhabern den deutschen Ansprechnpartner gemäß den Bestimmungen der DENIC  (www.denic.de/de/bedingungen.html) und stellt den Admin-C. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass der Admin-C unter Umständen auch für die von ihm verwalteten Domains in Haftung genommen werden kann.

Der Bundesgerichtshof führt dazu aus:

Ein Anspruch gegenüber dem Admin-C kann sich aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung ergeben. Die dafür erforderliche Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten ergibt sich allerdings noch nicht aus der Stellung des Beklagten als Admin-C an sich. Denn dessen Funktions- und Aufgabenbereich bestimmt sich allein nach dem zwischen der DENIC und dem Domaininhaber abgeschlossenen Domainvertrag, wonach sich der Aufgabenbereich des Admin-C auf die Erleichterung der administrativen Durchführung des Domainvertrages beschränkt. Unter bestimmten Umständen kann den Admin-C aber – so der Bundesgerichtshof – eine besondere Prüfungspflicht hinsichtlich des Domainnamens treffen, dessen Registrierung er durch seine Bereitschaft, als Admin-C zu wirken, ermöglicht. Im Streitfall hatte sich der Beklagte gegenüber der in Großbritannien ansässigen Inhaberin des Domainnamens generell bereit erklärt, für alle von ihr registrierten Domainnamen als Admin-C zur Verfügung zu stehen. Ferner hatte die Klägerin vorgetragen, dass die britische Gesellschaft in einem automatisierten Verfahren freiwerdende Domainnamen ermittelt und automatisch registrieren lässt, so dass auf der Ebene des Anmelders und Inhabers des Domainnamens keinerlei Prüfung stattfindet, ob die angemeldeten Domainnamen Rechte Dritter verletzen könnten. Bei dieser Verfahrensweise besteht im Hinblick darauf, dass auch bei der DENIC eine solche Prüfung nicht stattfindet, eine erhöhte Gefahr, dass für den Domaininhaber rechtsverletzende Domainnamen registriert werden. Unter diesen Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof eine Pflicht des Admin-C bejaht, von sich aus zu überprüfen, ob die automatisiert registrierten Domainnamen Rechte Dritter verletzen.

Quelle: Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshof Nr. 180/2011 vom 9.11.2011

Rechtsweg:

LG Stuttgart – Urteil vom 27. Januar 2009 – 41 O 127/08

OLG Stuttgart – Urteil vom 24. September 2009 – 2 U 16/09

BGH Urteil vom 9. November 2011 – I ZR 150/09 – Basler Haarkosmetik

 

Erklärung Admin-C

Der Admin-C (administrative contact) ist der administrative Ansprechpartner einer Domain und ist auch als Administrator (neben dem Inhaber) in der Whois-Datenbank der meisten Domainregistrierungsstellen mit seiner Adresse eingetragen.

Er ist nicht automatisch der Inhaber der Domain, auch wenn es im privaten Bereich eher die Regel ist. Der Admin-C ist gegenüber dem Domaininhaber (Holder) weisungsgebunden und handelt in seinem Auftrag. Es ist zwingend erforderlich, dass der Admin-C eine natürliche Person ist, die zusätzliche Angabe einer Firma ist optional. Der Admin-C ist in Deutschland zum Teil auch rechtlich der Ansprechpartner der Domain. Er kann unter bestimmten Umständen z. B. für Wettbewerbsverstöße des Domaininhabers haftbar gemacht werden. Neben dem administrativen Ansprechpartner gibt es meistens noch den technischen Ansprechpartner, den sogenannten Tech-C (Technical Contact), und den Ansprechpartner für den zuständigen Nameserver, den sogenannten Zone-C (Zone Contact).

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Admin-C



User IP speichern

Der BGH (Urt. v. 13.01.2011 – Az.: III ZR 146/10) hat entschieden, dass ein Internet-Service-Provider die IP-Adressen seiner Kunden für bis zu 7 Tagen speichern darf, wenn dies zur Abwehr von Gefahren und zur Beseitigung von Störungen erforderlich ist.



Bildersuche bei Google

Keine Urheberrechtsverletzung durch Bildersuche bei Google

Von: Bundesgerichtshof – PM Nr. 93/2010 vom 29.04.2010

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Google nicht wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, wenn urheberrechtlich geschützte Werke in Vorschaubildern ihrer Suchmaschine wiedergegeben werden.

Die von Google betriebene Internetsuchmaschine verfügt über eine textgesteuerte Bildsuchfunktion, mit der man durch Eingabe von Suchbegriffen nach Abbildungen suchen kann, die Dritte im Zusammenhang mit dem eingegebenen Suchwort ins Internet gestellt haben. Die von der Suchmaschine aufgefundenen Bilder werden in der Trefferliste als verkleinerte und in ihrer Pixelanzahl gegenüber den auf den Originalseiten vorgehaltenen Abbildungen reduzierte Vorschaubilder gezeigt (sog. Thumbnails). Die Vorschaubilder enthalten einen elektronischen Verweis (Link), über den man zu der Internetseite gelangen kann, die die entsprechende Abbildung enthält. Zur Verkürzung des Suchvorgangs durchsucht Google das Internet in regelmäßigen Intervallen nach Abbildungen und hält diese als Vorschaubilder auf ihren Servern vor, so dass kurze Zeit nach Eingabe eines Suchworts die Trefferliste mit den entsprechenden Vorschaubildern angezeigt werden kann.

Die Klägerin ist bildende Künstlerin und unterhält eine eigene Internetseite, auf der Abbildungen ihrer Kunstwerke eingestellt sind. Im Februar 2005 wurden bei Eingabe ihres Namens als Suchwort in die Suchmaschine des beklagten Unternehmens Google Abbildungen ihrer Kunstwerke als Vorschaubilder angezeigt.

Der Bundesgerichtshof hat die auf Unterlassung gerichtete Klage der klagenden Künstlerin abgewiesen. Er hat angenommen, dass das beklagte Unternehmen Google schon keine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung begangen hat. Der Bundesgerichtshof ist davon ausgegangen, dass die klagenden Künstlerin zwar nicht durch eine ausdrückliche oder stillschweigende rechtsgeschäftliche Erklärung Google ein Recht zur Nutzung ihrer Werke als Vorschaubilder im Rahmen der Bildersuche eingeräumt hat. Der in der Wiedergabe in Vorschaubildern liegende Eingriff in das Recht der Künstlerin, ihre Werke öffentlich zugänglich zu machen, sei jedoch gleichwohl nicht rechtswidrig, weil das beklagte Unternehmen Google dem Verhalten der klagenden Künstlerin (auch ohne rechtsgeschäftliche Erklärung) entnehmen durfte, diese sei mit der Anzeige ihrer Werke im Rahmen der Bildersuche der Suchmaschine einverstanden. Denn die Künstlerin habe den Inhalt ihrer Internetseite für den Zugriff durch Suchmaschinen zugänglich gemacht, ohne von technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Abbildungen ihrer Werke von der Suche und der Anzeige durch Bildersuchmaschinen in Form von Vorschaubildern auszunehmen.

Für Fälle, in denen – anders als im jetzt entschiedenen Fall – die von der Suchmaschine aufgefundenen und als Vorschaubilder angezeigten Abbildungen von dazu nicht berechtigten Personen in das Internet eingestellt worden sind, hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass Suchmaschinenbetreiber nach der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unter bestimmten Voraussetzungen für ihre Dienstleistungen die Haftungsbeschränkungen für Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft nach der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr in Anspruch nehmen können. Danach käme eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers erst dann in Betracht, wenn er von der Rechtswidrigkeit der von ihm gespeicherten Information Kenntnis erlangt hat.

Datum: 29.04.2010

Quelle: Bundesgerichtshof – PM Nr. 93/2010 vom 29.04.2010

Link: www.bundesgerichtshof.de

Aktenzeichen: I ZR 69/08



Arbeitsbemühen in der Insolvenz

Der Bundesgerichtshof hat eine in der Praxis wichtige Frage des Insolvenzrechts nicht entschieden, um Klarheit für den Schuldner in der Wohlverhaltensphase zu schaffen. „… Für die von der Rechtsbeschwerde als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, „in welchem Umfang sich der Schuldner um eine angemessene Tätigkeit bemühen muss und ob er gehalten ist, seine Bemühungen glaubhaft zu machen und, falls ja, in welcher Weise dies zu geschehen hat,“ besteht kein Klärungsbedarf.

Es wird weiterhin auf  § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO verwiesen, welcher bestimmt, dass sich der Schuldner um Arbeit bemühen muss, jedoch keinerlei Angaben um den Umfang dessen und wie dieses nachzuweisen ist, regelt.

Hierzu merkt der Bundesgerichtshof an:

Hieraus folgt unmittelbar, dass es Sache des Schuldners ist, die von ihm geltend gemachten Maßnahmen zur Erlangung einer angemessenen Erwerbsmöglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht nachvollziehbar darzulegen und mit geeigneten Beweismitteln, wozu insbesondere schriftliche Bewerbungsgesuche und die hierauf bezogenen Antwortschreiben der Arbeitgeber gehören können, nachzuweisen. Welchen Umfang die Bemühungen aufzuweisen haben, um eine hinreichende Arbeitsplatzsuche belegen zu können, lässt sich nicht allgemein gültig klären, sondern ist unter Berücksichtigung branchenbezogener, regionaler und individueller Umstände einzelfallbezogen zu beurteilen.

Instanzen: 
AG München, Entscheidung vom 03.09.2008 – 1500 IN 3037/03 – 

LG München I, Entscheidung vom 15.10.2008 – 14 T 17356/08 – 

BGH, Beschluss vom 27.4.2010 – IX ZB 267/08  

Insoweit bleibt für den Schuldner eine Ungewissheit.

Es kann jedem Schuldner nur geraten, werden sich regelmäßig in der Kanzlei über den aktuellen Stand hierzu zu erkundigen, insbesondere, da der Schuldner später die Beweislast trägt.



Lebensversicherung und Pflichtteil!

§ 2325 Abs. 1 BGB

„Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.„

Der BGH hat seine Rechtsprechung zur Berechnung von Lebensversicherungen verändert, im Pflichtteilsrecht abgeändert, und verfolgt nunmehr den Ansatz, dass in der Regel der Rückkaufswert zum Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich ist.

BGH, Urt. v. 28.04.2010 — IV ZR 73/08
BGH, Urt. v. 28.04.2010 — IV ZR 230/08

Hierdurch wurden jedoch noch nicht alle Problemfelder in diesem Bereich beseitigt!



Keine Sonderbehandlung bei ca. Mietflächen

Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung bestätigt, dass auch für den Fall, wenn im Mietvertrag die Wohnfläche mit „circa“ ausgewiesen wird, die 10% Regel gilt.
Das heißt, sollte die vereinbarte Wohnfläche um mehr als 10% abweichen, so darf der Mieter unter Umständen den Mietzins wegen Mietmangel mindern.

BGH – VIII ZR 144/09



BGH

Abkürzung: BGH = Bundesgerichtshof



Dauer der Wohlverhaltensphase bestätigt!

Der Bundesgerichtshof hat erneut bestätigt, dass, selbst wenn das eigentliche Insolvenzverfahren noch andauert, die Entscheidung über die Restschuldbefreiung 6 Jahre nach Eröffnung stattzufinden hat.

Auszug aus der Pressemitteilung des BGH vom 18.12.2009:

„… Die Schuldnerin beantragte am 1. Februar 2002 die Eröffnung des Insolvenz-verfahrens über ihr Vermögen sowie Restschuldbefreiung. Sie trat ihre pfändbaren Forderungen auf Bezüge oder Renten für sechs Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Treuhänder ab. Mit Beschluss vom 28. Februar 2002 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren zum 1. Mai 2002 eröffnet. Als die Laufzeit der Abtretung endete, war das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif.

Im Regelfall wird nach Rechtskraft des Beschlusses über die Ankündigung der Restschuldbefreiung das Insolvenzverfahren aufgehoben. Es schließt sich bis zum Ablauf der 6-Jahres-Frist die Wohlverhaltensperiode an. Im vorliegenden Fall war nach Ablauf der 6 Jahre noch nicht einmal die Restschuldbefreiung angekündigt gewesen. Die Wohlverhaltensperiode hatte noch nicht begonnen. Das Insolvenzverfahren dauerte an. Deshalb war zu entscheiden, ob in solchen Fällen das Ende des Insolvenzverfahrens abzuwarten ist, bevor Restschuldbefreiung erteilt wird.“

 

Der Bundesgerichtshof hat entschieden:

 

„Nach Ablauf von 6 Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist über die Restschuldbefreiung endgültig zu entscheiden, auch wenn das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif ist. Nur so kann der Zweck des Gesetzes verwirklicht werden, dem redlichen Schuldner sechs Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen.

 

Ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Abtretungserklärung kann der Schuldner über seinen Neuerwerb grundsätzlich wieder frei verfügen, wenn ihm Restschuldbefreiung erteilt wird. Bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung hat der Insolvenzverwalter zwar den pfändbaren Neuerwerb einzuziehen und zu sichern. Wird jedoch Restschuldbefreiung erteilt, hat der Insolvenzverwalter den Neuerwerb dem Schuldner nach Rechtskraft des Beschlusses auszuhändigen. „

 Rechtsweg:

 Abk. AG Dresden,  Beschluss vom 6. Mai 2008 ,  556 IN 273/02

 Landgericht Dresden,  Beschluss vom 11. Juni 2008,  5 T 507/08

Bundesgerichtshof,  Beschluss vom 3. Dezember 2009,  IX ZB 247/08



archive